Sechs Fragen an die verantwortliche Projektreferentin für das Arbeitspaket „Gewerkeübergreifende Fortbildungen“

Flavia Nebauer, Projektreferentin

Flavia Nebauer, Projektreferentin

1. Wie sind Sie auf die Themen der Fortbildungen gekommen?

Startpunkt war für uns eine breit angelegte Bedarfsanalyse. Wir haben fortschrittliche Handwerksbetriebe und weitere Fachleute gefragt, mit welchen Anforderungen das Handwerk konfrontiert ist – aktuell und zukünftig – und welche Kompetenzlücken und Qualifizierungsbedarfe sie sehen. Nach Auswertung der Interviews haben wir die inhaltliche Struktur der Lehrgänge entworfen und in Expertenworkshops zur Diskussion gestellt. Es war also ein längerer Prozess, bis die Themen unserer Fortbildungen feststanden. Allesamt Themen, die von hoher betrieblicher und gesellschaftlicher Relevanz sind: Digitalisierung, Energieeffizienz, Nachhaltigkeit, um nur ein paar wichtige Stichworte zu nennen.

 

2. Wie sind Sie bei der Entwicklung der Fortbildungen vorgegangen?

Vorneweg: Wir sind im Projekt ein großes Team, bestehend aus Kolleg*innen von der ZWH und weiteren Verbund- und Kooperationspartnern, bestehend aus Handwerkskammern, Hochschulen und Forschungsinstituten. Es kommt hier also viel Expertise und Erfahrung aus der Praxis und der Wissenschaft zusammen. Wir haben Fach- und Bildungsexpert*innen, die gemeinsam die Kurse ausgearbeitet haben, mit dem Ziel, innovative Lerninhalte auf innovative Weise zu vermitteln.

Die Entwicklung der einzelnen Lehrgänge wurde von jeweils einer Arbeitsgruppe verantwortet und von einer Person aus der ZWH koordiniert. Nun ist die Entwicklung abgeschlossen und die Lehrgänge gehen an den Start – ein aufregender Moment.

 

3. Mit den Fortbildungen sprechen Sie bewusst mehrere Gewerke an. Warum?

Natürlich sind fachspezifische Kompetenzen die Grundlage für berufliches Handeln. Sie stehen deshalb in der Ausbildung im Vordergrund. Die gewerkeübergreifende Zusammenarbeit hingegen wird in der Ausbildung aktuell kaum thematisiert. Das möchten wir mit unseren Fortbildungen ändern. Warum, das möchte ich an einem Beispiel verdeutlichen: Wird ein Haus gebaut oder saniert, so kommen unterschiedliche Berufsgruppen und Gewerke zusammen. Auch wenn sich alle auf ihre eigenen Arbeitsbereiche konzentrieren, sollte allen bewusst sein, dass diese nicht isoliert, sondern in einem Gesamtzusammenhang zu sehen sind. Will man ein Projekt zum Erfolg führen, so muss miteinander kooperiert werden. Eine Selbstverständlichkeit, könnte man meinen – ist es aber nicht. Der Alltag auf der Baustelle ist häufig von Komplikationen an den Schnittstellen der Gewerke geprägt. Die Folge ist dann zum Beispiel, dass ein Handwerker zwar sehr gut sein Problem löst, aber durch die Art der Problemlösung anderen Baubeteiligten Probleme beschert. Eine energetische Gebäudemodernisierung ist zwangsläufig ein gewerkeübergreifendes Thema. Eine gute Schnittstellenkoordination bietet für das Handwerk großes Potenzial – Produktivität und Qualität können erhöht, Kosten gesenkt und Termine sicher eingehalten werden.

Was wir in unseren Fortbildungen vermitteln, ist also die sogenannte Schnittstellenkompetenz. Sie ermöglicht den Teilnehmenden, über den eigenen Tellerrand zu schauen und sich das für das Arbeiten an den Schnittstellen notwendige Wissen anzueignen. So lassen sich auch neue Dienstleistungen und ganzheitliche Lösungen entwickeln, ganz im Sinne der Kund*innen. Fachwissen allein ist hier nicht ausreichend, man braucht darüber hinaus auch Kooperations- und Kommunikationskompetenz. Sehr spannend und zielführend dürfte für die Teilnehmenden in dieser Hinsicht auch sein, dass sie in gewerkeübergreifenden Projektgruppen zusammenarbeiten.

 

4. Wie lässt sich Ihr Kurskonzept kurz und knapp beschreiben?

Die Kurse sind im Blended-Learning-Format konzipiert, damit unabhängig von Ort und Zeit flexibles Lernen möglich ist. Ein paar Kurstage sind als Präsenztermine geplant, vor allem für den Einstieg in die Kurse finden wir das wichtig. Der überwiegende Teil findet aber digital statt. Die Teilnehmenden und Dozierenden treffen sich regelmäßig, zudem stehen die Teilnehmenden in engem Kontakt, um die Lernaufgaben gemeinsam zu bearbeiten. Darüber hinaus gibt es auch Selbstlernphasen.

Auf dem eCampus Handwerk wird das Lernen organisiert. Dort ist alles, was man braucht, integriert: vielfältige und abwechslungsreiche Lernmedien, digitale Tools für das kollaborative Lernen und den Austausch untereinander, der direkte Zugang zum Videokonferenzsystem und eine strukturierte Übersicht über die To-dos.

Wir haben den Anspruch, mit unseren Kursen ein spannendes Lernerlebnis zu schaffen. Wenn ich auf unsere Lerninhalte, die Methoden und die uns zur Verfügung stehende Lerninfrastruktur schaue, so denke ich, dass uns das gelingen wird.

 

5. Können Sie uns einen Einblick in die Methodik geben?

Bei der Entwicklung der Lernmedien und Arbeitsaufgaben war uns wichtig, einen hohen Praxisbezug herzustellen und viele Möglichkeiten für den Praxistransfer zu bieten. Ich gebe ein paar Beispiele: Für den BIM-Kurs wurde eigens ein BIM-Modell entwickelt und es wurden speziell auf das Handwerk zugeschnittene Anwendungsfälle definiert. Im Rahmen einer groß angelegten Projektarbeit nehmen die Teilnehmenden zum Beispiel in einem 3D-Miniaturmodell Aufmaß, skalieren es anschließend und fügen es dem BIM-Modell hinzu.

Im Kurs „Energietechnische Anlagen im Gebäude“ können die Teilnehmenden die Lerninhalte direkt in einer virtuellen Technikzentrale lernen und einüben. Dazu wurde eine Vielzahl interaktiver E-Learning-Elemente, wie zum Beispiel Übungsaufgaben, Quiz und Videos, hinterlegt.

Im Kurs „Smarte Systeme: Schnittstellen und Gewerke koordinieren“ sollen die Teilnehmenden mindestens zwei Systeme kennenlernen, wie zum Beispiel KNX, HomeMatic oder Loxone. Dazu üben sie mithilfe eines Trainingskoffers, die Sensoren und Aktoren einzurichten und Funktionen zu programmieren. Ebenfalls zu Übungszwecken wurde zum Thema Netzwerksicherheit eine Art Escape Room entwickelt.

Um im Kurs „Erfolgsfaktor digitales Kundenmanagement“ einen hohen Praxisbezug herzustellen, wurden unter anderem Lernvideos erstellt, für die das Team mit zwölf Betrieben Interviews geführt hat. Präsentiert werden hier bewährte Praxisbeispiele, wie etwa für die Kundenakquise oder Kundenbindung über Social Media, die Videoberatung oder digitale Tools für die eigene Arbeitsorganisation. Was den Praxistransfer angeht, so erhalten die Teilnehmenden noch während des Kurses Arbeitsaufträge, um das Gelernte je nach Interesse zu vertiefen und auf die eigene betriebliche Praxis anzuwenden.

 

6. Können Sie uns einen kleinen Ausblick geben, wie es in den nächsten Monaten weitergeht?

Im Herbst starten wir mit den ersten Fortbildungen an drei kooperierenden Handwerkskammern. Das ist für uns auch ein guter Test für den Einsatz des eCampus Handwerk und unserer Prüfungssoftware. Es befinden sich derzeit außerdem noch weitere Fortbildungen zu Themen wie „Nachhaltige Gebäudekonstruktion“, „Gewerkeübergreifende Dienstleistungsentwicklung“ und „Technisches Gebäudemanagement“ in der Entwicklung. Das Ziel für nächstes Jahr ist, alle Kurse als Module zu einer großen Fortbildung mit dem Abschluss Bachelor Professional zusammenzufügen. An dieser Stelle also auch die Einladung an interessierte Handwerkskammern, sich bei uns zu melden, wenn sie gemeinsam mit uns innovative Wege beschreiten wollen!